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Rüdiger Fritsch: Ein Sponsor bringt mehr als 5000 Stehplätze

Rüdiger Fritsch, SV Darmstadt 98

Rüdiger Fritsch, SV Darmstadt 98

Präsident Rüdiger Fritsch spricht über Geld, erklärt dabei, wie sich ein möglicher Bundesliga-Aufstiegs auszahlen würde, und rechnet vor, wieso das komplett umgebaute Stadion am Böllenfalltor nicht zu klein für die großen Pläne des Vereins ist.

Rüdiger Fritsch, zuletzt mussten Sie beim SV Darmstadt 98 erstmals seit acht Jahren einen Verlust von rund zwei Millionen Euro verbuchen. Wie schmerzhaft war das für jemanden, dessen Credo lautet, auf Dauer nicht mehr Geld auszugeben, als man einnimmt?

Defizit ist Defizit, auch wenn es insgesamt überschaubar war. Wenn dieses Defizit allerdings selbst verschuldet gewesen wäre, müssten wir das sehr kritisch hinterfragen. Aber die Umstände dafür haben nicht nur den Verein, sondern uns alle unverschuldet getroffen – angefangen bei Corona bis hin zu den großen politischen negativen Entwicklungen. Wir haben uns darauf eingestellt. Deswegen gehen wir davon, dass sich das Geschäftsergebnis in den kommenden Jahren wieder zum Positiven entwickelt.

Das Geschäftsergebnis mit dem Minus hat den Stand vom 30. Juni. Wie ist es seither gelaufen?

Durch den Pokalerfolg gegen Gladbach liegen wir leicht über dem Plan, auch wenn uns das betriebswirtschaftlich nicht in den Orbit schießt. Und das kann sich auch schnell wieder ändern. Geldausgeben ist im Fußball ziemlich einfach. Wenn wir – rein hypothetisch – auf dem Spielermarkt nochmals aktiv werden sollten, würde sich das zunächst negativ auswirken. Aber auf der anderen Seite sind das auch oft Investitionen für die Zukunft.

In Darmstadt tut man sich etwas schwer mit dem Wort Aufstieg. Wollen Sie eigentlich aufsteigen?

Wir wollen – wie doch jeder andere Profiverein auch – immer das bestmöglich sportliche Ergebnis und immer gewinnen. Aber es geht um eine realistische Erwartungshaltung. Wenn es am Ende nicht klappen sollte, wäre das überhaupt kein Beinbruch. Und es wird sicher auch wieder Rückschläge geben.

Der Verein ist während ihrer Präsidentschaft schon einmal in die Bundesliga aufgestiegen. Welche finanziellen Auswirkungen hat so ein Aufstieg?

Ein Aufstieg bedeutet auf allen Ebenen Erlössteigerungen. Die Medienerlöse, die den größten Anteil ausmachen, verdreifachen sich ungefähr. Das wären bei jetzt rund zwölf Millionen Euro etwa 36 Millionen Euro. Aber natürlich steigen auch die Ausgaben. Insgesamt ist trotzdem erst mal mehr Geld vorhanden. Damit kann man dann unterschiedlich umgehen, zum Beispiel alles investieren oder auch sich ein wenig Speck anfressen. Aber das besprechen wir gerne nochmals, wenn es so weit sein sollte.

Der Umbau des Stadions ist fast abgeschlossen. Wäre das ohne den Bundesliga-Aufstieg 2015 so möglich gewesen?

Nein. Wir haben die Mehreinnahmen aus der Bundesliga zu einem großen Teil in die Erneuerung der Infrastruktur gesteckt und damit in die Zukunft investiert. Natürlich hätten wir auch noch zwei oder drei Spieler mehr holen können und wären 2017 trotzdem wieder abgestiegen, nur vielleicht mit weniger Punkten Rückstand. Was hätte das gebracht?  Das Geld wäre dann weggewesen, weil die Spieler und die Berater damit nach Hause gegangen wären.

Mit der Kapazität von 17.800 Zuschauern liegt das umgebaute Stadion in der unteren Hälfte der 2. Liga. Kann man so die Top-20 des deutschen Fußballs herausfordern, wie das im Leitbild des Vereins steht?

Baurechtlich war an diesem Standort nicht mehr möglich. Wir haben andere Standorte geprüft. Aber es war die richtige Entscheidung, am Traditionsstandort zu bleiben. Denn trotz der aktuellen Erfolgsphase gibt es ab und an noch immer Spiele, die erst spät ausverkauft sind. Wenn wir jetzt ein Stadion mit einer Kapazität von z.B. 25.000 Zuschauern hätten, wäre das öfters sicherlich nicht voll. Es müsste aber von uns unterhalten werden und die Betriebskosten bezahlt werden. Mit zu großen Stadien haben sich andere Vereine schon übernommen. Grundsätzlich ist die Größe für einen Verein wie Darmstadt 98 in Ordnung. Zumal man auch immer berücksichtigen muss, dass es im Sport nicht permanent nach oben geht.

Welche wirtschaftliche Bedeutung haben die verkauften Eintrittskarten im Profifußball überhaupt noch für einen Verein?

Vorweg: Für uns hat ein volles Stadion mit stimmungsvollen Fans emotional enorm viel Bedeutung, davon lebt die Fußballkultur. Aber rein wirtschaftlich gesehen stimmt es natürlich, die Ticketerlöse sind nicht mehr so bedeutend wie früher.  Die Einnahmen aus der Medienvermarktung und dem Sponsoring sind heutzutage entscheidender. Ein Rechenbeispiel: Gehen wir mal davon aus, dass wir 5000 Stehplätze mehr hätten. Bei einem durchschnittlichen Ticketpreis von zwölf Euro wären das Mehreinahmen von 60.000 Euro pro Spiel und in einer Saison rund eine Million Euro mehr. Bei einem Bundesliga-Etat von 50 Millionen Euro entspräche das gerade zwei Prozent. Und da sind noch nicht die Kosten für die zusätzlichen Zuschauer eingerechnet wie Sicherheitsdienst, Energiekosten oder mehr Toiletten. Ein weiterer Sponsor würde sich da eher auszahlen. Der bringt Geld und verursacht kaum zusätzliche Kosten.

In Teil zwei des Lilienblog-Interviews (erscheint am Donnerstag) spricht Rüdiger Fritsch über Transfererlöse und stimmt die Fans auf Abgänge liebgewonnener Spieler ein.

 

Bildquellen

  • IMG_2298: Stephan Köhnlein
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