Mit Verwunderung hat Florian Kohfeldt die Fragen wahrgenommen, ob er auch nächste Saison beim SV Darmstadt 98
arbeiten wird. „Ich springe nicht auf den Zug und hoffe, dass ich wieder schnell in einer ersten Liga ankomme“, sagt er im dritten Teil des großen Lilienblog-Interviews. „Ich bin hier, weil ich dauerhaft etwas entwickeln will.“ Wer verstehen will, wie der Coach tickt, muss auch auf seine drei vorangegangenen Stationen gucken, wo die Zusammenarbeit aus unterschiedlichen Gründen vorzeitig endete.
Ihre vorherigen drei Chefcoach-Jobs bei Erstligisten sind nach gutem Start alle vorzeitig zu Ende gegangen. War Darmstadt dann noch mal eine Chance, etwas unter seinem Niveau wieder einen Fuß auf den Boden zu bekommen?
Überhaupt nicht. Ich habe auch gelesen, ich sei jemand, der nur kurzfristig Erfolg haben könne. Aber mein Grundansatz als Trainer ist nicht nur, eine Mannschaft zu trainieren. Ich versuche immer auch, das Umfeld und den Verein mitzuentwickeln. Ich glaube zum Beispiel, in Bremen gibt es Dinge, die in meiner Zeit angeschoben wurden und von denen der Verein noch heute profitiert wie Ernährungsthemen oder der Aufbau einer Analyseabteilung. Das steht nicht so in der Öffentlichkeit. Deshalb bin ich ein bisschen allergisch, mich darauf reduzieren zu lassen, kurzfristig irgendwo zu sein. Ole Werner hat mich mit dem letzten Bundesliga-Spieltag als Trainer mit der drittlängsten Amtszeit in Bremen abgelöst. Wir hatten mit Werder zwei über die Maßen erfolgreiche Jahre, die erfolgreichste Saison der letzten 15 Jahre in meinem zweiten Jahr. Ich bin sehr glücklich darüber, in vier Spielzeiten Trainer von Werder Bremen gewesen zu sein.
Und wieso hat es dann am Ende nicht funktioniert?
Die wirklich schwierige Zeit begann, als die sportlichen Handlungsmöglichkeiten nicht mehr in unserer Hand lagen, weil wir über Corona im sportlichen Bereich keine Handlungsfähigkeit mehr hatten. Und trotzdem kreide ich es mir an, dass ich es nicht geschafft habe, mit der Mannschaft die nötigen Punkte für den Klassenerhalt eingefahren zu haben. Das ist bis heute eine der größten Niederlagen meines Lebens, dass ich Teil einer Abstiegssaison bei Werder Bremen war. Das tut mir bis heute weh. Aber ich finde die Station muss man schon in der Gänze sehen.
Wie war es mit Wolfsburg?
Wolfsburg war eine Sache für sich, da trifft das womöglich zu, dass es kurzfristig am Anfang funktioniert hat, weil eine Mannschaft einen neuen Input brauchte. Wobei wir selbst da in meinen letzten sechs Spielen als VfL-Trainer elf Punkte gesammelt hatten. Nach dem Ende habe ich sogar überlegt, was ich eigentlich will. Ich bin sehr früh als Trainer in dieses Geschäft gekommen und habe mich gefragt, ob ich nicht eher in die Richtung Management oder Sportdirektor gehe und mehr im Hintergrund arbeite. Ich musste mir erstmal darüber klar werden, was ich will. Und ich hatten den riesigen Luxus, dass ich frei entscheiden konnte.
Wie kam es dann zu Eupen?
Ich habe meinem Berater gesagt, dass ich ins Ausland möchte. Ich wollte diese Erfahrung, die ich noch nie in meinem Leben hatte. Für Eupen habe ich mich dann entschieden, weil genau Thema war, wo ich meine Stärken sehe, nämlich eine Mannschaft zu trainieren und zu entwickeln, aber auch dauerhaft ein Umfeld zu mitzuentwickeln. Als der Investor dann das finanzielle Engagement heruntergefahren hat, wurde es schwierig. Trotzdem wollte mich der Verein unbedingt behalten. Aber private Gründe haben das leider nicht zugelassen und ich musste das Engagement beenden.
Und wie kam es dann zu den Lilien?
Ein halbes Jahr nach dem Ende in Eupen war ich wieder im gleichen Modus wie nach Wolfsburg: Ich wollte etwas tun, aber ich musste nicht. Und dann hat mein Berater angerufen und gefragt: Hat Paul Fernie schon angerufen? Kurz darauf hat er sich dann bei mir gemeldet. Und er hat eben nicht gesagt, dass er einen Feuerwehrmann braucht, sondern jemanden, der hilft, die angeschobene Infrastruktur mit Leben zu füllen. Deswegen bin ich hier. Und deshalb war ich auch verwundert, als Fragen kamen, ob ich nächste Saison noch hier bin. Ich springe nicht auf den Zug und hoffe, dass ich wieder schnell in einer ersten Liga ankomme. Ich habe Bock auf dieses Projekt. Ich bin hier, weil ich dauerhaft etwas entwickeln will.
Verabredung zum Abendessen – Florian Kohfeldt und Torsten Lieberknecht
Und wie war dann das Zusammentreffen mit Torsten Lieberknecht am vorletzten Spieltag in Kaiserslautern?
Die Trennung damals kam für mich überraschend. Ich fand es unglaublich schade, dass Torstens Engagement hier zu Ende gegangen ist, weil ich weiß, wieviel Herzblut er hier investiert hat. Wir haben in Lautern ausgemacht, dass wir mal zusammen essen gehen.
Herr Kohfeldt, vielen Dank für das Gespräch!
Im ersten Teil des Lilienblog-Interviews mit Florian Kohfeldt zieht er eine Saison-Bilanz, verrät, was ihn wirklich unruhig hat schlafen lassen und wie er sich den Leistungseinbruch im Winter nach dem Hoch im vergangenen Herbst erklärt.
Im zweiten Teil geht es um den Ausblick auf die kommende Saison. Wo setzt Florian Kohfeldt den Hebel an? Welche Spielertypen wünscht er sich? Wie geht er mit möglichen Abgängen um?
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Bildquellen
- fck-SVD-2024-25-blog-0060: Arthur Schönbein
- fcp-SVD-2024-25-blog-0049h: Arthur Schönbein