Der schmeichelhafte 4:1-Sieg des SV Darmstadt 98 gegen einen Absteiger sollte als Weckruf zum richtigen Zeitpunkt wahrgenommen werden, meint Lilienblog-Autor Martin Hohmann in der neuen Folge seiner Glosse (!?->) „Böllen. Fallen. Tore.“. Nur so lässt sich diese verkorkste Saison noch retten.
Was für ein Trauerspiel! Aber immerhin wissen wir jetzt endlich, woran wir sind. Nach einer Vorbereitung mit zumeist billig erkauften Siegen war das Spiel gegen den VfL Bochum der erste echte Gradmesser. Und spätestens jetzt sollten alle Alarmlampen lichterloh leuchten und blinken. Wenn die Verantwortlichen nicht endlich (!!!) die richtigen Schlüsse ziehen, ist der Abstieg nicht mehr abzuwenden.
Es brennt lichterloh!
Schon mit der Vorstellung des neuen Trikots hätten alle, die Augen haben zu sehen, erkennen müssen, dass an der Nieder-Ramstädter-Straße Fußball nicht mehr ernst genommen wird. Ein Freizeit-Hemdchen mit Krägelchen und jeder Menge Firlefanz. Geht’s noch? Wie sollen unsere Jungs in einem solchen Shirt ihrer Profession ernsthaft nachgehen? Dieses sogenannte „Trikot“ suggeriert nichts anderes als: „Alles easy hier, mach dich locker, chill’ ein bisschen und sieh zu, dass der Cocktail nicht zu schnell warm wird. Das Spiel ist quasi schon vor Anpfiff gewonnen, hat keinen Sinn, sich hier noch reinzuhängen …“ Wer solche Hemdchen trägt, wird vom Gegner als halbes Hemd wahrgenommen. Von wegen „gotische Spitzbögen“. Stattdessen: Spitze-Hacke-Heiteitei.
Da muss sich niemand die Augen reiben, wenn der Saisonauftakt gegen die ehemalige „graue Maus“ der Bundesliga gerade nochmal glimpflich ausgeht. Es brennt auf allen Positionen. Angefangen mit unserer „Nummer 1“: Die Beförderung vom Lautsprecher des Teams zu dessen offiziellem Kapitän scheint Schuh zu Kopf gestiegen zu sein: Herrejeh, wir der die Bälle rausfischt! Und dann noch während der Parade, also schon im Flug, die Richtung wechselt … da wird mir echt ganz anders. Die Wahrheit ist: Ein Torwart, der all seine Mängel nur noch durch ständige Glanzparaden notdürftig zu kaschieren weiß, ist eine latente Gefahr auf der Linie.
Abwehr? Reine Kopfsache.
Kommen wir zur Abwehr. Der Alte Fritz hätte vielleicht Freude an unseren zwei „langen Kerls“ im Zentrum der Abwehr gehabt. Der versierte Fußball-Analyst dagegen muss die Hände überm Kopf zusammenschlagen. Genau: Kopf! Da nämlich liegt das Problem, denn das Spiel heißt „Fußball“. Was aber machen Paddy und Vuko? Köpfen jeden Ball, der sich unserem Strafraum auch nur andeutungsweise nähert, so einfach mir nix dir nix ins Nirwana der gegnerischen Spielhälfte zurück. OK, ab und zu streut Pfeiffer einen seiner 70-Meter-Diagonalpässe ein, die zu allem Überfluss auch noch ankommen. Aber es bleibt ein schaler Geschmack: So oder so wird den Kollegen im Mittelfeld signalisiert: Euch brauchen wir nicht. Wenn ihr mal einen Ball sehen wollt, dann schaut gefälligst nach oben – da fliegt er über euch hinweg.
Bestes Beispiel: Unser Neuzugang aus dem Land der aufgehenden Sonne. Ich fürchte, der Stern von „Aki“ Akiyama wird schnell wieder untergehen, wenn die anderen ihn weiterhin nicht mitspielen lassen. Zur Strafe wird er dann auch noch ausgewechselt. Und gegen wen? Papela! Kohfeld weiß offensichtlich nicht, was er will. Statt gepflegtes Aufbauspiel durchs Mittelfeld plötzlich einer, der alles kaputtmacht – vor allem die gegnerische Zuordnung: Da reißt er riesige Löcher rein und dribbelt seinen Bochumer Gegenspielern reihenweise Knoten in die Beine. Ein Überraschungseffekt nach dem anderen – aber wie bitte soll darauf ein verlässliches Spiel aufgebaut werden?
Und vorne? Brechstange!
Kein Wunder, dass unsere sogenannten Stürmer den Eindruck bekommen, es im Zweifel alleine erledigen zu müssen. Marseiler und Richter sind gerade noch gut genug, auf Links und Rechts die Dreckarbeit zu erledigen und dürfen den Herren Hornby und Lidberg dann noch einen letzten Zuckerpass zuspielen. Tja, und was passiert dann?
Da kann ich nur konstatieren: Außer Torinstinkt und einer schnurgeraden harten Klebe nix gewesen! Wo andere nochmal den Blick zum eventuell besser positionierten Kollegen suchen, hält Lidberg einfach drauf – und kommt damit auch noch durch! Oder er setzt sich ins gemachte Nest, steht zweimal goldrichtig und besorgt die Zweitverwertung. Torriecher nennt man das wohl. Aber es bleibt dabei: Hornby und Lidberg kochen da vorne ihr eigenes Süppchen, auch wenn sie es dem Gegner versalzen.
Noch ist nicht alles verloren
Dass der Coach ihnen das Toremachen aber tatsächlich eben nicht zutraut, beweisen die Standards. Wer wird da nach vorne beordert? Na klar, die zwei Langen. Echt, wenn einem so gar nix mehr einfällt, dann stellt man halt zwei Typen in den gegnerischen Strafraum, die, wenn sie zum Köpper ansetzen, kurz auf den Radarschirmen der Flugsicherung in Egelsbach auftauchen und dann nur noch einnicken müssen. Täuschen wir uns nicht: Das ist nichts andere als eine andere Form von Brechstange – und ein weiteres Zeichen von absoluter spielerischer und taktischer Hilflosigkeit.
Wie gesagt: Noch ist nicht alles verloren, noch lässt sich gegensteuern, noch ist der ansonsten sichere Abstieg zu vermeiden. Was ist zu tun? Vor allem: Ruhe reinbringen! Wir müssen mehr Übersicht im Spiel bekommen, mehr Zeit zum Überlegen. Lieber mal ein paar gepflegte Quer- oder Rückpässe und dann, nach ausgiebiger Beratung, eine langsame, lauernde Annäherung an den gegnerischen Strafraum. Ist außerdem auch besser für die Ballbesitz-Statistik. Im Zweifel aber: dem Gegner den Ball überlassen. Denn nur wer den Ball hat, kann auch mit dem Ball Fehler machen.
Und ganz wichtig: Nicht gleich bei jeder Torgelegenheit einnetzen! Das ist so billig, das wirkt überhastet und gierig, da fehlt genau die Raffinesse, die dem Gegner den nötigen Respekt vor der eigenen Überlegenheit abnötigt. Außerdem ist es schlecht für die Getränkeumsätze, wenn sich niemand mehr traut, Bier zu holen, weil er wieder zwei, drei Tore verpassen könnte.
Deshalb: Umsteuern jetzt! Für eine stabile Saison und eine wirtschaftlich sichere Zukunft der Lilien!
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Bildquellen
- BoellenFallenTore: DanyelDahlkamp