Der Vandalismus am Böllenfalltor rund um das Spiel gegen Dynamo Dresden hat in den vergangenen Tagen für viel Empörung gesorgt. Doch urteilen wir dabei möglicherweise zu hart und vor allem zu pauschal, fragt Lilienblog-Autor Stephan Köhnlein?
Im Lilienblog gab es in der Woche nach dem Dresden-Spiel viele schöne Geschichten und News, die es anderswo so oft nicht gab. Da waren die detaillierten Aussagen von Trainer Florian Kohfeldt in der Runde nach der Pressekonferenz, das Porträt über Startelf-Debütant Leon Klassen, Sergio Lopez und seine Aussagen zum Thema Vertrauen, das Traumduo Hornberg oder die Rückkehr von Matthias Bader und Paul Will ins Mannschaftstraining.
Doch mit Abstand am meisten Interesse erregten die beiden Geschichten über den Vandalismus einiger Dresden-Fans am Böllenfalltor, die mit vergleichsweise geringem Aufwand entstanden. Klar, das ist ein Aufreger-Thema. Die Bilder von herausgerissenen Kabeln, abgetretenen Armaturen und abgebrochenen Waschbecken in einer unter Wasser gesetzten Toilette sind Ausdruck einer völlig sinnbefreiten Zerstörungswut, für die es keine Rechtfertigung gibt. Aber es stellt sich die Frage, ob das Thema nicht doch etwas zu hoch gekocht wurde?
Da müssen wir uns auch im Lilienblog an die eigene Nase fassen. „Dresden-Anhänger hinterlassen Spur der Verwüstung“ war als Titel überspitzt. Denn es war keineswegs so, dass marodierende Dresdner Horden Darmstadt in Schutt und Asche gelegt haben. Die Gesamtschadenssumme im Stadion liegt bei maximal 10.000 Euro. Die in Bildern und Videos dokumentierten Zerstörungen zeigen großflächig verteilte Dynamo-Aufkleber im Auswärtsbereich des Merck-Stadions sowie die ramponierte Toilette. Dafür reicht schon eine Handvoll verstrahlter, sogenannter Fans.
In Misskredit gerieten dadurch jedoch alle Dynamo-Fans. Und als Reaktion gab es die üblichen Reflexe und Stereotypen: Schon wieder die. Natürlich ein Ostverein. Drakonische Strafen müssen endlich her. Der Verein muss den Schaden komplett bezahlen und überhaupt viel stärker sanktioniert werden. Sechsstellige Geldstrafen. Punktabzug. Kollektivstrafen für die Anhänger. Keine Auswärtsfans mehr zulassen. Oder zumindest die Ticketpreise so teuer machen, dass sich der Pöbel einen Stadionbesuch nicht mehr leisten kann.
Letzteres impliziert jedoch, dass die Randale nur von Geringverdienern ausgeübt wird. Tatsache ist jedoch, dass die Täter in der Regel unbekannt bleiben – und damit auch ihr Einkommen. Und das Argument zeigt: Es ist so einfach, alle über einen Kamm zu scheren, zu verurteilen und populistische Maßnahmen zu fordern. Doch damit tut man vielen Unrecht. Beeindruckend war der geschlossene und lautstarke Support des Dresdner Anhangs – trotz der Niederlage. Dazu braucht man viel mehr Menschen als ein paar Toilettenzerstörer oder Becherwerfer.
Beeindruckend war auch das Statement von Steffen Meltzer, einem pensionierten Polizeibeamten, der einen YouTube-Kanal mit knapp 6.000 Abonnenten betreibt. Vor der Kamera ging er im Dresden-Trikot auf Distanz zu den „Verhaltensgestörten“, die sich als Fans verkleideten und unter die Menschen mischten. „Diese Straftäter schädigten den Verein, die Fans und die Mitglieder aufs Schwerste“, sagte er.
Nochmal: Es gibt keine Rechtfertigung für die sinnlose Zerstörung. Die Frage ist nur, ob das Ausmaß der Zerstörung das Ausmaß der Reaktionen in diesem Fall gerechtfertigt hat?
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Bildquellen
- SVD-f95-2024-25-blog-0034: Arthur Schönbein