Lilienblog-Autor Stephan Köhnlein über das Defensiv-Offensiv-Dilemma beim SV Darmstadt 98:
Die bisherige Saison hat gezeigt: Hinten dicht und vorne gefährlich funktioniert beim SV Darmstadt 98 nicht gleichzeitig. Mit 34 Gegentoren sind die Lilien die Schießbude der Liga. Dabei fuhr die Mannschaft jedoch mit dem 4:2 über Bremen und dem 3:3 gegen Gladbach trotz der vielen kassierten Treffer auch wichtige Punkte ein.
Nach dem 1:2 gegen Bochum verschoben die Verantwortlichen den Fokus auf die Defensive. Das Ergebnis: Nur noch zwei Gegentore in den vergangenen drei Spielen. Die Kehrseite der Medaille: Die Mannschaft erzielte in dieser Zeit gerade einen kümmerlichen Treffer. Der gelang Mathias Honsak in Freiburg zudem nur, weil gleich zwei Gegenspieler seinen Schuss so abfälschten, dass er doch noch im Tor landete.
Den grundsätzlichen Kurs nicht infrage stellen
Trainer Torsten Lieberknecht verweist darauf, dass sein Team gegen Mainz oder Freiburg auch die Gelegenheiten zum Lucky Punch gehabt habe. Dann wären es die gleichen Spiele mit einem Sieg für die Lilien gewesen. Doch das ist zu einseitig. Denn auch die Gegner hatten in diese Partien ihre Gelegenheiten zum Sieg. Fakt ist, dass sich der SV Darmstadt 98 zuletzt kaum Chancen herausspielte.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Qualität des Kaders überhaupt dafür reicht, gleichzeitig gut zu verteidigen und Gefahr nach vorne zu entwickeln. Die Antwort: im Moment offenbar nicht. Gezielte Verstärkungen in der Winterpause für jeden Mannschaftsteil könnten helfen, wenn der Verein dabei seine Politik der ruhigen Hand und des besonnenen Haushaltens nicht über Bord wirft.
In der aktuellen Situation den grundlegenden und auf Langfristigkeit ausgelegten Kurs infrage zu stellen oder sich gar Zombies aus der Vergangenheit zurückzuwünschen, ist jedoch falsch. Vor der Saison war klar, dass es für den SV Darmstadt 98 in der Bundesliga schwierig werden wird. Für viele waren und sind die Lilien Abstiegskandidat Nummer eins. Jetzt ist es die erwartete schwere Saison.
Abstieg? Na und!
Im Leitbild des Vereins vom Herbst 2021 heißt es, man wolle langfristig die Top-20 des deutschen Profifußballs herausfordern. Das tut man gerade. Und mal zugespitzt gefragt: Wenn am Ende der laufenden Saison der Abstieg stünde – wo wäre da das grundsätzliche Problem für einen Verein mit der Größe und dem Potenzial des SV Darmstadt 98? Aber das heißt natürlich nicht, dass sich der SV Darmstadt 98 jetzt kampflos ergeben soll.
Lieberknecht selbst hat schon mehrfach gesagt, dass es ihm nicht primär darum geht, bestimmte Ergebnisse oder Platzierungen zu erreichen, sondern die Zuschauer mitzunehmen. Auf dieser Basis lässt sich das Defensiv-Offensiv-Dilemma folgendermaßen beantworten: lieber ein 3:3 gegen Gladbach als ein 0:0 gegen Mainz. Und lieber die Bayern eine Halbzeit ärgern und dann in Unterzahl untergehen, als nach einem trostlosen 0:1 gegen Köln ebenfalls mit leeren Händen dastehen.
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Bildquellen
- SVD-SVS-2021-22-blog-0018: Arthur Schönbein