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Die Krankheit von Philipp Förster zeigt ein grundlegendes Dilemma im Profi-Fußball. Der SV Darmstadt 98 hat in diesem Fall allerdings kein durchweg gutes Bild abgegeben, findet Lilienblog-Autor Stephan Köhnlein.

Philipp Förster ist krank. Was er hat, soll nicht kommuniziert werden. Und das ist Försters gutes Recht! Klar, als Fußball-Profi steht er in der Öffentlichkeit und profitiert davon bisweilen. Umgekehrt zahlt er dafür auch einen hohen Preis. In jedem Fall hat er ein Recht auf Privatsphäre. Dieses Anrecht bestätigen auch Gerichte Personen des Zeitgeschehens regelmäßig.

Es gibt nichts, was ein grundlegendes Recht der Öffentlichkeit auf private oder sogar intime Informationen über Prominente oder in diesem Fall Fußballer begründet – auch nicht, wenn man Fan, Vereinsmitglied oder ein wie auch immer gearteter Teil einer imaginären Vereinsfamilie ist. Solche Forderungen sind in erster Linie Voyeurismus und Sensationsgeilheit.

Was die Gesundheit der Spieler angeht, bewegt sich der Fußball ohnehin in einer Parallelwelt. Während bei Normalsterblichen in der Regel nicht einmal der Arbeitgeber den Grund für die Arbeitsunfähigkeit seines Angestellten erfährt, erwartet ein großer Teil der Öffentlichkeit bei Fußballern die detaillierte Diagnose, am besten gleich mit der exakten Ausfalldauer und das natürlich vom Trainer oder Pressesprecher, die in der Regel keine Mediziner sind.

Vor diesem Hintergrund sollte man sich auch noch einmal vor Augen führen: Der Profi-Fußball lässt so gut wie keinen Raum für Schwächen oder Angriffspunkte. Rund 16 Jahre nach dem Selbstmord von Robert Enke sind Depressionen und selbst der gesellschaftlich eher akzeptierte Burnout weiterhin bestenfalls Randthemen. Oder wann hat zuletzt ein Spieler öffentlich gemacht, dass es ihm psychisch nicht gut geht? Und es gibt offensichtlich auch weiterhin schwerwiegende Gründe, warum bislang kein aktiver Profi in Deutschland offen gesagt hat, dass er schwul ist.

Im Spagat zwischen den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu kommunizieren, ist schwierig. Im Fall Förster hat der SV Darmstadt 98 den Spieler zwar geschützt, aber dennoch keine durchweg gute Figur abgegeben.

Erst war der Spieler krank, dann wieder gesund, dann doch wieder krank. Ein gutes Klima für Spekulationen über etwaige disziplinarische Verstöße des Spielers. Denen trat der Verein auch auf Anfrage zunächst nicht entgegen, um sie aus der Welt zu schaffen. Ein gefundenes Fressen für diejenigen, die mutmaßten, das da etwas vertuscht werden sollte.

Letztlich musste das dann ein sichtlich genervter Chefcoach Florian Kohfeldt öffentlich auf der Pressekonferenz ausräumen. Damit bekam der angebliche Vorfall mehr Aufmerksamkeit als nötig. Wobei das für die Verschwörungstheoretiker allerdings ohnehin keine Rolle spielte. Denn die glauben eh weiter, dass da etwas vertuscht wird.

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Bildquellen

  • SVD-f95-2024-25-blog-0034: Arthur Schönbein

8 Kommentare

  • Jürgen sagt:

    Der letzte Lilien-Spieler, der eine (damals zurückliegende seelische) Gesundheitsstörung eingeräumt hat, war Victor Palsson. Hat ihm seinerzeit viel Respekt eingebracht. Wenn der Verein nicht gerade ohnehin personell auf dem Zahnfleisch ginge, wäre die Sache mit Förster wahrscheinlich gar nicht so hoch gehängt worden. Was auch immer es ist: er hat selbstverständlich ein Anrecht darauf, in Ruhe gelassen zu werden – was bei Personen des öffentlichen Lebens, nicht nur bei Fußballern, allerdings nahezu IMMER auf allgemeines Unverständnis stößt.

  • Frank sagt:

    Tolles Statement lieber Stefan, du triffst mal wieder den Punkt!
    Danke, dass du es mal so ausführlich und sehr sachlich kommuniziert.

  • Kallinski sagt:

    Genau so.

  • De Maddin sagt:

    Danke Stephan, einerseits für diesen differenzierten und wohl abgewogenen Beitrag und den Versuch, damit nicht nur die Diskussion hier im Blog, sondern auch in der allgemeinen Fußball-Aufgeregtheit wieder einzunorden. Aber auch für anderes.

  • Sam Fischer sagt:

    Toller Kommentar, Stephan, Dankeschön.
    Toll dass Du die psychischen Erkrankungen und auch die Gay Problematik aufgreifst.
    Und auch, dass es im Fußball, halt in vielen Dingen oft anders oder ganz anders ist, als sonst in der Arbeitswelt.
    Für mich gibt es viele Beispiele, bei uns im Verein und anderswo, bei denen sich ungefragte und rechtlich unnötige Transparenz und Offenheit, positive für alle Beteiligten ausgezahlt hat, auch für die Betroffenen, die dann oft sagten die öffentliche Anteilnahme habe sie getragen. Aber klar jedermanns Sache ist das nicht, muss auch jeder selbst wissen. Aber klar wahrscheinlich lassen sich auch negativ Beispiele finden, gerade wenn man den Boulevard anschaut. Ich würde es uns und Philipp wünschen, dass er den Mut dazu hat,was immer es ist und sich dass dann für ihn auch bezahlt macht.
    Klar ist dass dann für FloKo blöd, er kann nix dafür, genervt zu reagieren muss er deswegen noch lange nicht, imo.

  • MAX1898 sagt:

    Vielen Dank für diesen Beitrag. Das trifft es auf den Punkt.
    Leider wird diese Sicht der Dinge viel zu selten reflektiert, auch von mir, und thematisiert.

    Es würde gerade unserem Verein, der so viel soziale und gesellschaftliche Projekte unterstützt, gut tun in der Kommunikation solcher Dinge auch anders aufzutreten. Ganz egal was der Spieler auch hat.

    Alles andere schürt nur die Spekulationen.

  • Manfred sagt:

    Vielen Dank, lieber Stephan, für den Beitrag! 👏

    Was die Transparenz angeht: ich hatte mal einen sehr schweren Fahrradunfall und lag danach fast 2 Tage im Koma, bevor ne Woche später in einer ewig langen OP einiges gerichtet wurde. In meiner Zeit im Krankenhaus wollte ich, dass nichts rausgeht, da hätte es mir auch keine Erleichterung gebracht, mein Herz in der Öffentlichkeit auszuschütten. Kein Radio- oder TV-Interview hätte mir geholfen, Anfragen waren da. – Heute kann ich damit umgehen. In der Situation selber musste und wollte ich es nur mit mir und meiner Familie ausmachen, auch dass ich lange nicht meinen Sport machen konnte.

    Fußball-Profis haben ihren Lieblingssport zum Beruf erkoren. Da kann eine (schlimme) Krankheit oder Verletzung tierisch reinhauen! Niemand von außen kann dann beurteilen, wie es der jeweilige Fußballer am besten verarbeitet, verarbeiten (sollte). Deshalb sollte auch niemand formulieren, dass es demjenigen besser täte, wenn er es öffentlich austrüge!!!

  • Merlin66 sagt:

    Gude Stephan,
    Danke, für den Beitrag!

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