Zum Abschluss des großen Lilienblog-Abschiedsinterviews klingt bei Rüdiger Fritsch etwas Wehmut durch. Zugleich ist der scheidende Präsident des SV Darmstadt 98 aber zuversichtlich, dass unter dem künftigen Präsidium der bisherige Kurs des Vereins nicht nur fortgeführt wird, sondern auch neue Impulse erhält.
Herr Fritsch, was wird sich geändert haben, wenn sie am (morgigen) 22. Oktober morgens aufstehen und nicht mehr Präsident des SV Darmstadt 98 sind?
Ich hoffe, dass sich an diesem Morgen noch nicht so viel geändert hat. Es sei denn, der Abend davor hat irgendwelche Spuren hinterlassen (grinst). Davon gehe ich allerdings nicht aus. Deswegen werde ich am 22. wahrscheinlich ein bisschen traurig, ein bisschen nachdenklich, aber doch auch sehr zufrieden sein.
Wie wird ihr Leben ohne die Lilien denn aussehen?
Ich werde den Lilien emotional definitiv verbunden bleiben. Mein Plan, den ich mit meinem Arzt ausgearbeitet habe, sieht allerdings eine gewisse Entwöhnungsphase vor (grinst). Ich werde nicht mehr bei jedem Heim- und Auswärtsspiel vor Ort sein, sondern mir das auch mal in Ruhe im Fernsehen anschauen. Ein bisschen mehr Zeit, ein bisschen mehr Ruhe und ein bisschen mehr Entspanntheit kann so nicht schaden. Ich bin ja auch keine 25 mehr.
Der SV Darmstadt 98 ist für sie auch ein Lebenswerk, wie sie in einem früheren Interview gesagt haben. Wie zuversichtlich sind sie, dass der unter ihnen verfolgte Kurs weitergeführt wird?
Man stellt sich persönlich immer wieder die Frage, was man erreichen will mit seiner Arbeit und wie muss man aufgestellt sein, damit das fortgeführt wird. Wir haben das Stadion, eine sehr gute Infrastruktur und sportliche Stabilität. Gerade für einen Klub unserer Größe ist es wichtig, dass hier Kontinuität und damit Verlässlichkeit gewahrt bleiben und die gemeinsamen Konzepte fortgeführt werden. Konzepte sind ja kein Tagesgeschäft. Wenn ich mir das Kandidatenteam ansehe, dann sehe ich da Kontinuität durch Erfahrung gepaart mit neuen Impulsen. Das ist ein stabiles Fortführungskonzept. Ich übergebe den Verein in gute Hände.
Was bringen die beiden neuen Mitglieder Arnd Zinnhardt und Roy Reinelt-Peter denn mit an neuen Impulsen?
Das sind zwei sehr interessante Persönlichkeiten. Arnd Zinnhardt war als ehemaliger Finanzvorstand der Software AG derjenige, der uns in schwierigen Zeiten zum Zeitpunkt der Sanierungsphase 2008 mit einem ordentlichen Sponsorenvertrag ausgestattet hat. Und mit dem wir auch in der Folge aufgrund seiner Expertise immer einen guten Austausch pflegten. Und Roy Reinelt-Peter war nicht nur bis vor kurzem Abteilungsleiter der Fan- und Förderabteilung, sondern steht mit seinem beruflichen Hintergrund auch für Innovation und Digitalisierung.
Hätte nach so vielen Jahren mit einem nahezu unveränderten Team nicht vielleicht etwas mehr frischer Wind gutgetan?
Wenn man sich die jüngere Geschichte unseres Vereins anguckt, könnte man vielleicht auf die Idee kommen, das wäre irgendwie langweilig: Erst übernimmt der Fritsch vom Kessler, dann der Pfitzner vom Fritsch. Ist das eine langweilige Kiste? Nein! Im Gegenteil: Das ist absolut professionell. Und wenn jemand meint, dass er sinnvollen Input leisten kann, dann wird er sicherlich Gehör finden. Es ist aber immens wichtig, dass das nicht zu Spaltungen innerhalb des Vereins führt. Kampfabstimmungen und Nebenkriegsschauplätze können wir uns nicht leisten. Das können andere machen. Ich denke, dass sich viele nach den stabilen Verhältnissen wie hier in Darmstadt sehnen.
Gibt es was, was sie dem neuen Präsidium auf den Weg geben möchten?
Wenn ich das Gefühl hätte, dass nach meinem Ausscheiden hier alles auf links gekrempelt wird, dann hätte ich mir vielleicht andere Leute gewünscht. Aber ich habe ja von der Kontinuität gesprochen. Und Ratschläge sind auch für das zur Wahl stehende Kandidatenteam nicht notwendig. Auch Arnd Zinnhardt kennt den Verein seit Jahren, erst über die Software AG, später über den Verwaltungsrat. Und Roy Reinelt-Peter war Abteilungsleiter der FuFa. Die stehen auch beide dafür, dass hier künftig kein Harakiri passiert.
Auch bei der DFL werden sie künftig nicht mehr aktiv sein?
Nein, wer kein führendes Amt in einem Klub hat, kann bei DFB oder DFL nicht in Gremien sein.
Hatten sie denn das Gefühl, dass sie als Vertreter eines eher kleinen Vereins im Konzert der Großen etwas bewegen konnten in der DFL?
Bewegen ist ein großes Wort. Und die 1. Liga hat nun mal andere Mehrheiten dort. Aber ich würde sagen, da herrscht ein hervorragendes Arbeitsklima – selbst bei aller Unterschiedlichkeit zwischen einem Verein wie Darmstadt 98 und Bayern München. Da versteht schon jeder die Belange des anderen, und es ist durchaus so, dass man als Vertreter eines kleineren Klubs auch ausreichend Möglichkeiten und Gelegenheiten hat, den Standpunkt der Kleinen klarzumachen. Und ich denke, dass ich das auch getan habe. Mit der letzten Medienausschreibung ist da schon ein kleinerer Erfolg erzielt worden.
Herr Fritsch, vielen Dank für das ausführliche Interview und die vielen Jahre der guten, vertrauens- und respektvollen Zusammenarbeit. Und alles Gute für ihre Zukunft!
- Teil 1 über die Anfänge in Zeiten der Insolvenz gibt es hier (->)
- Teil 2 über das Spiel, in dem der Grundstein für die späteren Wunder gelegt wurde, gibt es hier (->).
- Teil 3 über Fehler und Rückschläge während der 13 Jahre langen Amtszeit als Präsident.
Euch gefällt der Lilienblog? Dann unterstützt unsere Arbeit hier (->) und fördert so die Medienvielfalt in Südhessen und rund um den SV Darmstadt 98.
Bildquellen
- IMG_3459: Stephan Köhnlein


