Stadion-Pyro ist, tja, wie soll man sagen, ein heißes … äh … Eisen. Lilienblog-Autor Martin Hohmann traut sich dennoch, es anzufassen. Auch auf die Gefahr hin, sich mit seiner heutigen Glosse „Böllen. Fallen. Tore.“ mal so richtig die Finger zu verbrennen.
Bitte unterlassen Sie sofort das Lesen dieser Glosse! Wer sich mit einem heißen Thema auf dünnes Eis begibt, der droht einzubrechen. Andererseits lockt natürlich der Kitzel der Gefahr, das Verwegene, die Mutprobe, der Reiz, gegen den Stachel zu löcken, ins Wespennest zu stechen. Angestachelt hat den Autor das kleine Pyro-Festival „Bölle in Flammen“, das am Samstagabend an der Nieder-Ramstädter veranstaltet worden ist. Der Verein hatte es sich nicht nehmen lassen, die Festivität noch dadurch aufzuwerten, dass im Rahmenprogramm ein veritables Zweitligaspiel dargeboten wurde. Gegen die Alm-Dudler aus Bielefeld.
Gute Pyro, böse Pyro
Im Wettstreit um die schönere Pyro hatte die Süd vorgelegt: Statt nur Sturmmasken zu tragen, um die eigene Identität zu verschleiern, verkroch sich gleich die gesamte Tribüne unter einem Mega-Banner. Gefeiert wurde irgendein noch recht kleiner runder Geburtstag. Als das gesamte Stadion schon ob dieser beeindruckenden Choreo völlig ergriffen war, setzte die North-Face-Fraktion (warum eigentlich „North“?) sogar noch einen drauf: Von hinter der Süd ging ein Höhenfeuerwerk in den Darmstädter Nachthimmel, wie wir selten eines gesehen hatten.
Der Bielefelder Block schaute sich das Ganze mit gebührendem Respekt an, wollte aber hinter dieser prachtvollen Darbietung nicht zurückstehen und antwortete mit einem nicht minder beeindruckenden Spektakel – wenn auch eher in die Horizontale als in die Vertikale zielend.
So schön kann Fußball sein! Zu früh gefreut: Jetzt lernte das überwältigte Publikum dieses feuerwerkerischen Schwanzlängen-Vergleichs die Unterscheidung zwischen „guter“ und „schlechter“ Pyro: „Bitte unterlassen Sie das Abbrennen von Pyrotechnik“ schallte es aus den Lautsprechern, „Sie gefährden damit … usw.“ Das wiederholte sich im Laufe des Abends noch mehrmals und mit jedem Mal, mit jeder Ansage (in der übrigens die Fans, die ja sonst ranschmeißerisch geduzt werden, höflich gesiezt werden) war der Autor mehr versucht, in Richtung Stadionregie zurückzubrüllen:
„SONST WAS?“
Ja, sonst was? Was passiert denn, wenn „den Anordnungen des OD des Veranstalters, den Ordnungsbehörden, der Polizei, der Feuerwehr sowie des Rettungsdienstes und des Stadionsprechers“ (Stadionordnung) nicht „Folge geleistet“ wird? Ganz einfach: Nix passiert. Außer eben die immer wiederholten Durchsagen: „Bittebittebitte“.
Klar, ist schwierig. Müsste man ja in die Blöcke reingehen und den bösen Buben und Mädchen die heißen Bengalos aus den Händen ringen. DAS wäre dann selbstredend erst der richtige, echte Zündstoff. Ein unmittelbarer Angriff auf die sogenannte „Fankultur“. Geht gar nicht!
Andererseits: Klar könnte man was machen. Aber dazu müsste es „dem Veranstalter, den Ordnungsbehörden, der Polizei, der Feuerwehr sowie den Rettungsdiensten und dem Stadionsprecher“ eben auch wirklich ernst sein. Hier ein Vorschlag: Wie wäre es, wenn die Besucher vor Einlass ins Stadion daraufhin kontrolliert würden, ob sie „verbotene Gegenstände“ bei sich haben? Unerhörter Gedanke! Muss man erstmal drauf kommen.
Wie? Was? Das gibt’s am Böllenfalltor? Einlasskontrollen? Muss mir entgangen sein. Klar, bevor ich den heiligen Boden betrete, stehe ich immer für ein paar Momente in einer Schlange, dann steht da ein Typ, der den Barcode auf meiner DK scannt, und dann passiere ich einen zweiten, der mir dreimal freundschaftlich auf Oberarm, Oberkörper und Oberschenkel klopft und mir dann „viel Spaß“ wünscht. Klopfi-klopfi-klopfi, tatschi-tatschi-tatschi. Dauert ca. drei Sekunden. Und dann bin ich im Stadion.
Ach DAS ist die Einlasskontrolle??? Verstehe. Gut, kann man so machen. Aber dann darf man sich auch getrost die Aufforderung sparen, Pyro zu unterlassen, denn so grenzt die ja fast schon an Heuchelei. Mag sein, vielleicht muss die Ansage aus formalen Gründen abgesetzt werden, damit der Schein gewahrt bleibt, hier gäbe es ein Sicherheitskonzept, aber … mal im Ernst!
Hütchenspieler
Sicherheitskonzept ist übrigens ein ganz ein feines Stichwort. Gibt bestimmt eins. Ist auch bestimmt in Absprache mit ganz vielen Stakeholdern „erarbeitet“ worden. Und ist bestimmt auch in der Umsetzung sehr, sehr teuer, denn der „OD“ muss ja im Vorfeld eines jeden Spieles ganz viele Hütchen in den neuralgischen Zonen im ganzen Stadion aufstellen, Pardon, ich meine natürlich zur Deeskalation geschulte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Die höchste Dichte derselben findet sich vermutlich zwischen Gästeblock und G3. Diese Blöcke sind zwar durch eine doppelte, mehrere Meter hohe Plexiglas-Wand, getrennt, die nur sehr, sehr schwer zu überwinden sein dürfte – zumindest von gaaanz vielen Ultras in gaaanz kurzer Zeit. Dennoch wird dieses Niemandsland von ca. 20 Ordnungskräften „gesichert“, von denen ich ehrlich gesagt nicht wissen möchte, was sie machen würden, wenn o. g. Fall wider alle Wahrscheinlichkeit doch mal einträte. Naja, „better safe than sorry“ wird der Verein erwidern, das Kind muss ja nicht erst in den Brunnen fallen.
Apropos fallen: Womit die Stadionregie ganz sicher auch zu einer Ansage getriggert wird, ist, auf die Balustraden zwischen Gäste-Sitzplatz- und -Stehplatz-Bereich zu klettern. Auch zweimal gegen Bielefeld geschehen. Ist gefährlich. Kann man runterfallen. Macht Auaaua. (fällt aber im erweiterten Sinn auch unter Darwins „Natürliche Auslese“). Mal im Ernst: Wäre es, wenn das eine so gefährliche Situation ist, nicht eine gute Idee, in diesem Bereich ein paar wenige Ordnungsdienstler zu postieren, um der Gefahr vorzubeugen? Hab keine gesehen.
Das nächste Thema wäre „Treppen als Fluchtwege“ freizuhalten, aber das scheint außer Mode gekommen zu sein, zumindest in G3. Zwar sind die Ordnungsdienste ja martialisch ausgestattet und hierarchisch organisiert, aber die „Supervisor“, die vom Spielfeldrand aus ihre Leutchen im Blick behalten, scheinen das nicht so eng zu sehen.
Worauf ich hinaus will? Genau: Sicherheits-Ansagen wirken hilf- und sinnlos, wenn keine ernstzunehmenden Vorkehrungen getroffen werden, um die Situationen, die die Ansage ex post anprangert, ex ante zu vermeiden. Nochmal deutlicher: Die Vorkehrungen müssen ernst genommen werden. Sonst werden es die Ansagen auch nicht. Und dann macht sich der Veranstalter lächerlich.
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Bildquellen
- BoellenFallenTore: DanyelDahlkamp


Ich verstehe den Autor trotz dem Humor und zum Teil lustigem Zynismus.
Ich empfinde Pyro in den Blöcken als gefährlich und gesundheitsschädlich. Es gibt im Stadion genug Leute die Asthma haben und durch die Rauchentwicklung Probleme mit der Atmung bekommen. Gegen das Rauchen kann man nicht wirklich was machen. Ich kenne jemanden der vor ein paar Jahren die Arbeit hatte, die Koordination mit den sogenannten Fans wöchentlich beruflich zu übernehmen. Der erzählte mir haarsträubende Dinge über Deeskalation. Man lässt vieles durchgehen nur um unschöne Bilder und Situationen zu vermeiden. Ja man kann sogar ein Spiel etwas später anfangen lassen, da Fans des Gegners, die noch nicht alle im Stadion sind, damit drohen Gewalt auszuüben.
Was allerdings die Rettungswege angeht, muss ich sagen, dass gerade auf der Stehtribüne auf grund des Platzmangels am Bölle, unmöglich erscheint die Gänge komplett frei zu halten. Der Platz für die Kapazität auf den auf den Stehrängen empfinde ich zu gering. Wer aufs Klo muss, kommt so gut wie nie mehr richtig an seinen Platz zurück. Es ist wie in einer Sardinendose. Das war halt auch mal anders.
Was die sogenannten Fans angeht, so habe ich jedesmal das Gefühl, dass einige mit dem Spiel nichts zu tun haben und auch gar nicht mitbekommen was auf dem Platz abgeht. Es sind andere Dinge die solche Leute ins Stadion zieht.
Viele Vereine haben so glaube ich, gegen sogenannte Fans kapituliert und versuchen so eine art sich gegenseitig in Ruhe zu lassen etwa wie, wasche mich aber mach mich nicht nass.