Lilien-Geschäftsführer Martin Kowalewski berichtet im zweiten Teil des Lilienblog-Interviews über seinen Ausflug zum Volleyball, seine Erfahrungen in den USA und erklärt, wie man auch im Millionengeschäft Fußball geerdet bleiben kann. (Teil 1 des Interviews gibt es hier)
Herr Kowalewski, zuletzt hatten Sie für den Deutschen Volleyball-Verband gearbeitet. Haben Sie als Sportler eine Nähe zu Volleyball?
Martin Kowalewski: Ja, immer im Urlaub an der Nordsee (lacht). Man muss nicht Aktiver gewesen sein, um eine Sportart zu vermarkten. Ich hatte davor in Liechtenstein gearbeitet und wollte in den deutschen Profisport zurückkehren. Die Aufgabe beim Volleyball-Verband war extrem spannend, aber mit zu vielen Brennpunkten zwischen Haupt- und Ehrenamt belastet. Am Ende habe ich gemerkt, dass das Herz doch am Fußball hängt.
Als Fußballer haben Sie für die Lilien gespielt, für den FSV Frankfurt und waren auch in den USA …
Martin Kowalewski: Ich habe eine Saison in der 2. Liga gespielt in Orlando. Das war eine wichtige Zeit für meine weitere Karriere. Da habe ich gesehen, wie der amerikanische Fußballsport organisiert ist und wie er vermarktet wird.
Martin Kowalewski über seine frühere Doppelfunktion: „Das war eine harte Schule“
Was konnten Sie davon mitnehmen?
Martin Kowalewski: Bei Vermarktung und Digitalisierung sind die Amerikaner schneller. Ich würde aber sagen, dass man nicht alles kopieren sollte, was in anderen Märkten gut läuft. Entertainment vor dem Spiel, in der Halbzeit und danach hat sich in Deutschland zum Beispiel nicht durchgesetzt. Die Deutschen sind andere Stadionbesucher als die Amerikaner. Der deutsche Fan geht zum Sport, weil er leidenschaftlich am Verein hängt und Sieg und Niederlage intensiv miterlebt.
Im Vergleich zu früher: Was hat sich bei den Lilien am stärksten verändert?
Martin Kowalewski: Ich würde sagen, die emotionale Bindung der Menschen an den Verein ist viel höher als zu meiner Zeit. Da gab es immer einen Kern von zwei-, dreitausend Zuschauern, die immer im Stadion waren. Seriosität und Kontinuität haben sich stark zum Positiven verändert. Und das müssen wir beibehalten.
Zum Ende Ihrer Karriere waren Sie nicht nur Spieler, sondern auch Marketing-Leiter bei den Lilien. Wie war das?
Martin Kowalewski: Das war eine Zwei-Mann-Geschäftsstelle – und es ging vor allem um die Akquise von neuen Sponsoren. Ich habe am Spieltag mit den Fans die Banden aufgebaut, mich umgezogen und stand dann als Innenverteidiger auf dem Platz. Ich habe mit meinem Vater den VIP-Bereich eingerissen und umgebaut. Das war eine harte Schule, aber sehr wichtig für später, weil man sehr geerdet war.
„Wir wissen, wo wir herkommen“
Glauben Sie denn, dass Corona die Überhitzung im Fußball wieder etwas abkühlt und den Fußball wieder mehr erden wird?
Martin Kowalewski: Ich möchte da nur für Darmstadt 98 sprechen. Der Verein ist seit der Insolvenz extrem geerdet – erst mit Hans Kessler und nun mit dem Präsidium um Rüdiger Fritsch. Wir wissen, wo wir herkommen. Hier hebt keiner ab. Ein goldenes Steak kann sich hier auch keiner leisten (lacht). Aber das sind ohnehin Einzelfälle. Wenn das für alle Fußballer verallgemeinert wird, ist mir das fremd. Der Fußball hat eine wichtige Rolle für die Gesellschaft. Die Menschen kommen zusammen. Das hat eine große Kraft. Und deshalb wollen wir weiter daran arbeiten, dass sich die Menschen in Darmstadt dem SV 98 nah und verbunden fühlen.
Sie haben die Kontinuität betont. Ist Ihr Engagement in Darmstadt denn befristet?
Martin Kowalewski: Ich bin unbefristet hier. Für mich hat sich ein Kreis geschlossen nach vielen Jahren in Deutschland und im Ausland. Ich bin dankbar, dass ich wieder hier sein darf. Idealerweise lange. Aber das hängt auch an mir und meiner Arbeit. Ich hoffe, dass ich hier viele Menschen mitreißen kann.
Bildquellen
- Kowalewski: Handout SV98