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Überraschend stand Aaron Seydel dann doch im Kader des SV Darmstadt 98 beim SC Paderborn. Dabei hatte Trainer Torsten Lieberknecht noch zwei Tage zuvor erklärt, der lange Angreifer werde ausfallen. Der 26-Jährige habe sich beim Dehnen einen leichten Muskelfaserriss zugezogen. Eine solch kuriose Verletzung hätte gut gepasst in die Historie des früheren U21-Nationalspielers, der in seiner Karriere schon zahlreiche gesundheitliche Rückschläge einstecken musste. In einem Beitrag, der zunächst im Magazin „Vorhang auf“ erschienen ist, haben wir uns Seydels Geschichte näher angesehen.

„Es ging nichts mehr“

Verletzungen sind ein ständiger Begleiter in der Karriere von Aaron Seydel. Doch was er im Sommer mit seiner Hirnhautentzündung erlebte, stellte alles in den Schatten. Inzwischen ist er wieder zurück und kämpft um den Anschluss – wie so oft in seiner Karriere.

Es war die 88. Minute in der Partie beim 1. FC Kaiserslautern. Innerhalb von 15 Minuten hatte der SV Darmstadt 98 eine sicher geglaubte 2:0-Führung verspielt und lag 2:3 zurück. Trainer Torsten Lieberknecht zog seinen letzten verheißungsvollen Trumpf und brachte Offensivspieler Aaron Seydel. Eine gute Entscheidung. Drei Minuten später schlug Mannschaftskapitän Fabian Holland den Ball hoch und weit in die Spitze. Seydel nahm ihn per Kopf an, drehte sich und knallte ihn volley ins Lauterer Tor.

„Gar nichts“, habe ihm sein Trainer bei der Einwechslung auf den Weg gegeben. „Es war klar, was der Auftrag für mich war. Und es hat auch geklappt“, sagt Seydel. „Drei Punkte wären natürlich noch besser gewesen. Aber wenn man nach so langer Zeit reinkommt und wieder trifft, dann ist man einfach auch der kleine Junge und freut sich über sein Tor.“

Aaron Seydel, 1.FC Kaiserslautern - SV Darmstadt 98

„Dann ist man einfach auch der kleine Junge“ – Aaron Seydel nach seinem Tor gegen Kaiserslautern

Operation, Wadenprobleme, Meningitis

Hinter Seydel liegt eine lange Leidenszeit. Nahezu während seiner gesamten Profikarriere haben ihn Verletzungen immer wieder zurückgeworfen – auch in Darmstadt. Fast ein halbes Jahr war er wegen einer Achillessehnen-Operation ausgefallen. Im vergangenen Herbst kehrte er in die Mannschaft zurück. Zunächst musste er sich mit der Rolle als Joker begnügen. Doch weil die beiden etatmäßigen Stürmer Phillip Tietz und Luca Pfeiffer ab dem Spätherbst schwächelten und Seydel als Einwechselspieler regelmäßig traf, eroberte er sich im Frühjahr einen Stammplatz.

Die Freude war jedoch nur von kurzer Dauer. Anfang April verletzte er sich im Auswärtsspiel beim 1. FC Nürnberg im Übergang von der Wadenmuskulatur in die Achillessehne. Zunächst sah alles nicht so schlimm aus. Doch bis die exakte Diagnose kam, verging einige Zeit. Die Schmerzen waren so groß, dass Seydel nicht mehr zum Einsatz kam und dem Team im Endspurt um den Aufstieg fehlte, den es letztlich verpasste.

In der Sommervorbereitung hatte er den Anschluss ans Team fast wieder geschafft. Doch dann kam die Hirnhautentzündung. „Ich hatte starke Kopfschmerzen im Stirn- und Schläfenbereich, dann kamen Schwindel und Schwäche dazu und ich konnte nichts mehr essen“, beschreibt er die Symptome. „Es ging nichts mehr. Ich habe nur bei geschlossenen Rollläden auf der Couch gelegen. Reden konnte ich kaum noch. Selbst mein Handy zu bedienen, fiel mir schwer.“

„Ich muss froh sein“

Das habe er vorher nicht so gekannt, sagt er. Klar sei es ihm manchmal ein paar Tage nicht gut gegangen, aber danach sei alles wieder gut gewesen. „Das war schon langwieriger“, sagt er. Zehn Tage wurde er in der Uniklinik Mainz stationär behandelt. Aber selbst danach war noch lange nicht alles gut. „Ich hatte ich eine Phase, in der ich wirklich zu kämpfen hatte“, sagte er. „Da fiel es mir schwer, normale Eindrücke zu verarbeiten wie Lautstärke, Licht oder viele Menschen um mich. Aber ich bin mir sicher, dass das jetzt komplett überwunden ist.“

So richtig Angst, dass die Meningitis sein Leben bedrohe, habe er nicht gehabt. „Allerdings war das schon die heftigste Krankheit, die ich bislang erleben musste“, sagt er. „Und ich muss froh sein, weil so eine Krankheit auch deutlich schlimmer verlaufen kann und einige Menschen bleibende Schäden davontragen.“

Häufig wird Meningitis durch einen Zeckenbiss übertragen. Bei Seydel war es wohl das Herpesvirus, das viele Menschen in sich tragen und das in seinem Fall durchbrach. „Das kann fast jedem passieren“, sagt er. „Ich hatte halt das Pech, dass es mich erwischt hat.“

Die vergangene Saison als Vorbild?

Bereits Anfang August war Seydel in den Kader der Lilien zurückgekehrt. Zunächst reichte es nur für Kurzeinsätze. Trainer Lieberknecht betonte immer wieder, dass der Spieler noch Zeit brauche. Seydel selbst brannte schon vor dem Kaiserslautern-Spiel auf mehr Spielzeit, um wieder ins Rollen zu kommen. „Nur durch Training ist es schwer, sich das zu holen. Nur über das Spiel kommt man wieder zur alten Stärke“, sagt er.

Vielleicht gibt ihm die vergangene Saison da auch Kraft und Zuversicht. „Da kam ich aus einer längeren Verletzung“, sagt er. Die Belastung sei da Stück für Stück gesteigert worden. Er habe mehr Einsätze und mehr Selbstvertrauen bekommen und seine Stärke zeigen können. Ähnlich sieht es sein Trainer. Seydel benötige noch ein wenig Zeit, um von Anfang an spielen zu können. „Es ist gut, wenn er mit den Hufen scharrt”, sagte der Coach mit Blick auf Seydels Wunsch nach mehr Einsatzzeiten und fügte grinsend an: „Dann muss er auf mich hoffen, wann ich ihn wieder loslasse.”

Zur Person:

Aaron Seydel kam als Sohn eines ghanaischen Vaters und einer deutschen Mutter am 7. Februar 1996 in Langen zur Welt. Im Alter von neun Jahren schloss er sich dem Nachwuchsleistungszentrum des 1. FSV Mainz 05 an. 2015 rückte er in die zweite Mannschaft auf. Sein erstes Pflichtspiel für die erste Mannschaft absolvierte er am 24. November 2016 in der Europa League bei der AS Saint-Étienne. Am 27. November 2016 debütierte er im Auswärtsspiel gegen Hertha BSC in der Bundesliga und erzielte bei der 1:2-Niederlage den Mainzer Treffer.

Zur Saison 2017/18 schloss sich Seydel leihweise Holstein Kiel an. In der Folgesaison wurde Seydel erneut nach Kiel verliehen, kam aber verletzungsbedingt nur zu sechs Kurzeinsätzen in der Liga. Zurück in Mainz verpasster er auch die nächste Hinrunde wegen der Folgen der Verletzung. Nach seiner Genesung verlieh ihn Mainz 05 bis Saisonende an Jahn Regensburg. Dort kam er wegen des großen Konkurrenzkampfes nicht regelmäßig zum Einsatz. Anfang August 2020 wechselte Seydel zum SV Darmstadt 98.

 

 

Bildquellen

  • FCK-SVD-2022-23-blog-0044: Arthur Schönbein
  • EBS-SVD-2022-23-blog-0003a: Arthur Schönbein

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