Rüdiger Fritsch hat Trainer Torsten Lieberknecht auch für den Fall eines Bundesliga-Abstiegs eine Jobgarantie gegeben. „Einen Trainer werden wir in Darmstadt sicher nicht rausschmeißen, wenn er die 1. Bundesliga nicht in Schutt und Asche spielt. Es geht um Kontinuität“, sagte der Präsident des SV Darmstadt 98 im ersten Teil eines Lilienblog-Interviews. Lieberknecht passe in allen Facetten sehr gut zum Verein. Auf die Frage, ob die Lilien auf jeden Fall mit dem Trainer in die 2. Liga gehen würden, antwortete Fritsch mit einem knappen, aber entschiedenen „Ja“.
Mit Blick auf Neuzugänge in der Winterpause bremste er: „Erwartungen, dass wir jetzt eine Europa-League-Mannschaft zusammenkaufen, kann ich gleich eine Absage erteilen“, sagte er. „Wir haben uns den Aufstieg nicht erkauft und wir werden uns auch den Klassenerhalt nicht erkaufen können.“ Man müsse mit den Darmstädter Tugenden weiterarbeiten und werde den Verein nicht in wirtschaftliche Schieflage bringen.
Teil eins des Interviews im Wortlaut:
Herr Fritsch, sportlich gesehen hat der SV Darmstadt 98 ein tolles erstes Halbjahr mit dem Bundesliga-Aufstieg erlebt und ein weniger tolles mit dem Abstiegskampf im zweiten Halbjahr. Als Präsident sind sie der Mann fürs große Ganze. Können Sie ein Gesamtfazit für das Jahr ziehen?
Mit Blick auf die Ergebnisse mag man die Halbjahre unterschiedlich bewerten. Aber wir haben uns im ersten Halbjahr erarbeitet, dass wir mit Darmstadt 98 nun im zweiten Halbjahr den Traum von der Bundesliga leben können. Dem kann ich unabhängig von Ergebnissen, Punkten oder Tabellenplatz nichts Schlechtes abgewinnen. Im Gegenteil: Wir sollten stolz sein, dass wir in dem Konzert der Großen mitmischen dürfen.
Die laufende Saison ist in ihrer Amtszeit bereits die dritte in der Bundesliga. Was ist diesmal anders als in den beiden Spielzeiten zwischen 2015 und 2017?
Die ersten zwei Bundesliga-Jahre waren mit Blick auf die Substanz des Vereins und die Bedingungen schon ein bisschen surreal. Dass wir überhaupt ein zweites Jahr in der Bundesliga geblieben sind, war ein weiterer Riesenerfolg. Mit dem Geld, das wir damals verdient haben, konnten wir einen guten Mittelweg bei Investitionen in Steine und Beine gehen. Diesmal haben wir uns eher Schritt für Schritt mit gefestigten Strukturen hingearbeitet. Aber für Darmstadt 98 ist die Bundesliga immer ein Top-Ergebnis.
„Für Darmstadt 98 ist die Bundesliga immer ein Top-Ergebnis“, findet Rüdiger Fritsch.
Im Winter 2016 hatten die Lilien nach 16 Spieltagen zwei Punkte weniger als jetzt, standen auch auf Platz 18 und Trainer Norbert Meier war gerade beurlaubt worden. Was ist jetzt anders?
Der Glaube an den Klassenverbleib ist diesmal viel ausgeprägter als zum damaligen Zeitpunkt. Die Mannschaft ist intakt, bis auf die Partien gegen die absoluten Topteams waren wir immer in der Chance zu punkten. Wenn man auf die Tabelle blickt, sind wir trotz der relativ geringen Punkteausbeute noch immer im Rennen. Der Abstiegskampf ist ein Schneckenrennen, in dem mehrere Klubs unterwegs sind. Und ich hoffe, dass wir die Schnecke mit dem besten Turbo sind und am Ende über dem Strich stehen.
Mit Blick auf diesen Turbo: Können Sie im Winter personell nachlegen, um den Klassenerhalt zu schaffen?
Grundsätzlich glauben wir, dass die Mannschaft in der Lage ist, die Klasse zu halten, ganz besonders, wenn auch die Verletzten wieder zurückkehren. Ungeachtet dessen werden uns noch mal personell umgucken. Aber Erwartungen, dass wir jetzt eine Europa-League-Mannschaft zusammenkaufen, kann ich gleich eine Absage erteilen. Wir haben uns den Aufstieg nicht erkauft und wir werden uns auch den Klassenerhalt nicht erkaufen können. Wir müssen hier mit den Darmstädter Tugenden weiterarbeiten und werden den Verein nicht in wirtschaftliche Schieflage bringen. Da sind sportliche Leitung und Trainerteam auf einer Linie.
Aber der Abstieg wäre kein Beinbruch?
Überhaupt nicht. Natürlich wollen wir den Klassenerhalt schaffen. Aber Darmstadt 98 ist kein etablierter Bundesligist, der sich nach 40 Jahren Oberhaus mit der zweiten Liga anfreunden muss. Wir planen immer auf drei Jahre in verschiedenen Szenarien. Und da steht das Zweitligaszenario im Zentrum.
Der Verein hat Trainer Torsten Lieberknecht mit einem Vertrag bis 2027 ausgestattet. Wie sicher sind Sie, dass bei anhaltender Erfolglosigkeit nicht doch irgendwann die Mechanismen des Geschäfts greifen und es zu einer Beurlaubung kommt?
Wir haben das mit dem Vertrag ganz bewusst so gemacht, um solche Fragen eigentlich nicht beantworten zu müssen. Aber man kann sie dann offenbar doch nicht verhindern.
„Wir haben das mit dem Vertrag ganz bewusst so gemacht, um solche Fragen eigentlich nicht beantworten zu müssen“, sagt Rüdiger Fritsch.
Wenn eine Mannschaft auf dem letzten Tabellenplatz steht, dann fragt man schon mal nach dem Trainer …
Aber nicht, wenn Darmstadt 98 in der ersten Bundesliga antritt und nicht mit dem Wissen, was wir können, was wir haben, was wir nicht können, was wir nicht haben. Einen Trainer werden wir in Darmstadt sicher nicht rausschmeißen, wenn er die 1. Bundesliga nicht in Schutt und Asche spielt. Es geht um Kontinuität. Wir wissen, dass Torsten Lieberknecht in allen Facetten sehr gut zum Verein passt. Natürlich gibt es diese berühmten Gesetze des Fußballs, aber das sind andere Konstellationen. Wir können hier doch nicht irgendetwas infrage stellen, wenn wir uns in Sichtweite zu unserem ausgerufenen Ziel befinden. Ich glaube, dass die Fans, die sich auskennen, das genauso einordnen, wie wir das jetzt gerade tun.
Sie gehen auf jeden Fall mit Torsten Lieberknecht in die 2. Liga?
Ja.
(Teil 2 des Interviews mit Rüdiger Fritsch und Aussagen zu Transfererlösen, Filip Stojilkovic sowie dem Ja zum Investoren-Einstieg bei der DFL folgt am Sonntag)
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