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Einwurf: Enttäuschung ja, Nachtreten nein

Füller, Einwurf, SV Darmstadt 98 - SV Werder Bremen

Füller, Einwurf, SV Darmstadt 98 - SV Werder Bremen

Lilienblog-Autor Stephan Köhnlein über den Umgang mit dem bevorstehenden Abstieg des SV Darmstadt 98:

Der SV Darmstadt 98 steigt ab. Für diese Einschätzung musste man vor Saisonbeginn kein großer Experte sein. Nun wird diese Einschätzung Realität. Doch das ist kein Grund, jetzt blutrünstig die Köpfe der gesamten Führung zu fordern und alles in den Wind zu schießen, was die vergangenen gut zehn Jahre überwiegend hervorragend funktioniert hat.

Enttäuschung ist berechtigt. Die Frage nach den Gründen für die schwache Saison ist notwendig, um eine Wiederholung einer so kläglichen Saison zu verhindern. Aber genauso wichtig ist es, die Erwartungen zu hinterfragen, was für einen Verein wie den SV Darmstadt 98 mit seiner Größe und seinen Strukturen tatsächlich möglich ist.

Ein Präsidium, das die Lilien aus der Insolvenz geführt und mit ruhiger Hand zu einem Verein gemacht hat, der wie im Leitbild verankert aktuell die Top 20 des deutschen Fußballs herausfordert, kann nicht alles falsch gemacht haben. Es verdient zumindest Respekt. Gleiches gilt für einen Trainer, der eine eher durchschnittliche Zweitliga-Mannschaft mit bescheidenen Mitteln in die Bundesliga geführt hat.

Folgenschwere Fehler

Aber das soll nichts beschönigen. Es wurden Fehler gemacht. Besonders offensichtlich: Dem Kader fehlt es definitiv an Bundesliga-Tauglichkeit. Das war schon vor der Saison abzusehen. Wirklich etwas unternommen hat man nicht. Dabei hätten es alle Verantwortlichen besser wissen können oder sogar müssen.

Nach dem Bundesliga-Aufstieg 2015 hatten die Lilien-Verantwortlichen um den damaligen Trainer Dirk Schuster die Fehler anderer Aufsteiger analysiert und waren zu dem Schluss gekommen, dass diese zu sehr auf die Aufstiegsspieler vertraut hatten. Deswegen holte man bundesliga-erfahrene Spieler wie Peter Niemeyer, Konstantin Rausch, Luca Caldirola, Junior Diaz, Sandro Wagner und später noch Slobodan Rajkovic ans Böllenfalltor. So hielt man sensationell die Klasse – wenn auch nur für ein Jahr.

Auch Torsten Lieberknecht wurde vorgeworfen, dass er bei Eintracht Braunschweig nach dem Bundesliga-Aufstieg 2013 zu sehr auf die Zweitliga-Helden gesetzt hatte, mit denen er dann eine Saison später wieder sang- und klanglos abstieg. Doch trotz dieser Erfahrungen bei Lieberknecht und Lilien-Präsidium verzichteten man in Darmstadt im vergangenen Sommer fast vollständig auf die Verpflichtung gestandener Bundesliga-Spieler.

Schlechter Stil

Wenn jetzt im Nachhinein mehr oder weniger offen der langjährige Sportliche Leiter Carsten Wehlmann für den nicht bundesliga-tauglichen Kader verantwortlich gemacht wird, dann ist das schlechter Stil. Das hat etwas von Nachtreten. Denn auch wenn in Wehlmanns Stellenbeschreibung die Kaderplanung zentral war, hieß es im Verein doch stets, dass die sportlichen Entscheidungen im Team getroffen worden seien. Im Licht der Erfolge hat man sich schließlich auch gemeinsam gesonnt.

Selbst wenn Wehlmann sich nach erfolgreichen Jahren mit vielen guten Verpflichtungen vor dieser Saison auf dem falschen Weg befand, wie sich jetzt zeigt, stellt sich die Frage, wieso die anderen Verantwortlichen nicht gegengesteuert haben, obwohl sie – im Gegensatz zu Wehlmann – doch andere Erfahrungen hatten. Sie stehen genauso in der Verantwortung.

Ob es die Lilien geschafft hätten, wenn sie mehr Bundesliga-Erfahrung geholt beziehungsweise gehabt hätten, kann trotzdem niemand sagen. Mitaufsteiger Heidenheim hat beispielsweise kaum Spieler mit Bundesliga-Erfahrung geholt und trotzdem deutlich besser abgeschnitten als die Lilien.

Die Saison 2023/24 ist verkorkst und verloren für den SV Darmstadt 98. Jetzt gilt es, sich mit Anstand aus der Liga zu verabschieden und den Blick nach vorne zu richten, um weiterhin die Top 20 des deutschen Fußballs herauszufordern. Maßgeblich wird dabei sein, dass der Verein endlich den neuen Sportdirektor verkündet, der wohl schon in den Startlöchern steht.

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Bildquellen

  • SVD-SVS-2021-22-blog-0018: Arthur Schönbein
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