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Warum der SV Darmstadt 98 wieder eine 2. Mannschaft einführt, wie sich ein skeptischer Präsident überzeugen ließ und warum dann die Postfächer beim Verein explodierten – Björn Müller, Sportlicher Leiter des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ), und Übergangskoordinator Pascal Pellowski haben für den Lilienblog die wichtigsten Fragen rund um die neue Top-Talente-Mannschaft der Lilien beantwortet. 

Warum führt der SV Darmstadt 98 überhaupt wieder eine 2. Mannschaft ein?

“Die Rahmenbedingungen sind heute ganz andere als vor einigen Jahren”, sagt Müller. Die Einführung der NLZ-Ligen (siehe dazu die Informationen des DFB) zur kommenden Saison sei eine der größten Reformen im Jugendfußball seit 20 Jahren. Ziel ist es vor allem, die Nachwuchsmannschaften noch mehr auf den Talent- und Entwicklungsgedanken auszurichten. Beim SV Darmstadt 98 machte man sich daraufhin Gedanken, wie man das neue Konzept für sich nutzen kann. Ein Aspekt: In den vergangenen Jahren gab es einige Jugendspieler, die auch Profi-Chefcoach Torsten Lieberknecht gerne noch ein Jahr in ihrer Entwicklung beobachtet hätte. Weil es jedoch nicht für einen Profivertrag reichte, musste man sie ziehen lassen. Pellowski, einst selbst aus dem Lilien-Nachwuchs in die erste Mannschaft aufgestiegen, betont, dass es sich beim Top-Talente-Team nicht um eine typische U21- oder U23 handele. “Wir wollen unseren Jugendspielern eine Senioren-Plattform geben, damit sie dort früher die ersten Schritte machen können als bisher”, sagt er. Gerade in den vergangenen drei Jahren habe man dieses Thema stark forciert. Clemens Riedel und Fabio Torsiello seien heute feste Bestandteile des Profikaders, aber auch Philipp Sonn oder John Peter Sesay hätten in dieser Zeit Profi-Luft geschnuppert. Zudem würden sich pro Saison zwischen 18 und 20 Jugendspieler bei den Profis im Training vorstellen.

Wie ließ sich der Präsident überzeugen?

Vor zehn Jahren hatte der Verein unter Federführung von Präsident Rüdiger Fritsch die damalige 2. Mannschaft vom Spielbetrieb abgemeldet. Zu teuer, zu wenig sportlicher Nutzen waren die zentralen Argumente, die Fritsch dafür immer wieder anführte. Torsten Lieberknecht galt dagegen als Befürworter einer 2. Mannschaft, hatte damit in Braunschweig sehr gute Erfahrungen gemacht, wo so ein Zweitteam für Spieler wie Phillip Tietz, Gerrit Holtmann oder den heutigen Nationalspieler Deniz Undav zum Sprungbrett für eine Profi-Laufbahn wurde. “Das Konzept wurde gemeinsam vom NLZ-Bereich und der Profi-Abteilung entwickelt”, stellt Pellowski klar. “Im Austausch mit Trainer und Präsidium haben sich alle eingebracht und Pros und Contras abgewogen.” Dass Lieberknecht da zunächst ein paar Pros mehr und Fritsch ein paar Contras mehr in die Diskussion eingebracht hat, liegt auf der Hand. Doch am Ende seien alle davon überzeugt gewesen, dass sie den Weg mit dem Konzept gemeinsam gehen wollen, heißt es. In der mehrmonatigen Wartezeit zwischen Antragstellung und Zulassung stand man in engem Austausch mit dem Hessischen Fußball-Verband (HFV), wurde dort auch selbst mit einer von Fritsch begleiteten Delegation vorstellig.

Was sind größten Herausforderungen?

Das sind besonders die Spielstätten und die Kosten. U17, U19 und Top-Talente-Team benötigen alle eine Rasenspielstätte, die im NLZ in der Kastanienallee nicht vorhanden ist, wo es nur zwei Kunstrasenplätze gibt. Die Top-Talente-Mannschaft wird deswegen in Alsbach spielen, die U19 in Urberach und die U17 in Pfungstadt. Trainiert wird vornehmlich am NLZ. “Wir haben aber auch mit den Vereinen vereinbart, dass wir dort Abschlusseinheiten durchführen können”, sagt Müller. Was die Kosten angeht, so halten diese sich im Rahmen. Weil zugleich die U16 wegfällt, bleibt die Zahl der Mannschaften gleich. In der Anfangszeit müssen zunächst ein paar mehr Spieler von außen geholt werden, weil der komplette 2004er-Jahrgang fehlt, also diejenigen, die letztes Jahr ihr letztes Jugendjahr hatten. Zudem benötige man auch punktuell paar ältere Spieler, die den jungen Talenten etwas Orientierung geben können. Das sei aber budgetär verkraftbar, sagt Müller. “Wir werden niemand mit Geld zuschmeißen. Ganz im Gegenteil. Die Spieler müssen sich für den Weg entscheiden.”

Welchen sportlichen Wert hat überhaupt die Hessenliga?

Pellowski betont, dass es nicht das erste Ziel sei, mit der Top-Talente-Mannschaft aus der Hessenliga gleich in die Regionalliga aufzusteigen. Vielmehr gehe es darum, den jungen Spielern eine Plattform im Seniorenbereich zu bieten. “Die Vereine, die aus der Oberliga in die Regionalliga wollen, haben sicherlich ein deutlich höheres Budget angesetzt als wir.” Vom sportlichen Wert der fünftklassigen Hessenliga ist er überzeugt: “Wir sind uns bewusst, dass die Oberliga Hessen eine total starke Liga ist und dass es für alle jungen Leute eine große Herausforderung sein wird, dort Fuß zu fassen.” Müller erwartet, dass besonders die ersten Spiele zur Standortbestimmung werden. “Vielleicht sind unsere jungen Spieler technisch stärker, sprintschneller oder ausdauernder als manche Gegenspieler”, sagt er. “Aber wenn das ein Gegenspieler ist, der schon sechs, sieben Jahre mehr Erfahrung hat, werden die Jungs wahrscheinlich erstmal ganz schön schauen.”

Wie sieht die Kaderplanung aus?

Die Top-Talente-Mannschaft soll mit 20 Feldspielern und drei Torhütern relativ schmal sein. Angepeilt ist, dass davon zwischen 30 und 50 Prozent der Spieler noch im Jugendbereich eingesetzt werden können, wie Pellowski erklärt. Der Rest sind Spieler, die schon älter sind, insbesondere diejenigen, die der Verein nach ihrer U19-Zeit zunächst übernimmt. “Im Endeffekt müssen wir gucken, dass wir eine Mannschaft haben, die trotz aller Entwicklung der Jungs auch konkurrenzfähig in der Hessenliga ist. Das heißt, wir brauchen ein Gerüst und um dieses Gerüst herum dann möglichst viele sinnvolle Einsätze von Jugendspielern. Je mehr Jugendspieler wir auf dem Platz haben, umso besser ist das für uns.” Damit die Nachwuchsspieler nicht überlastet werden, sind die Kader der U17 und der U19 etwas größer als in den Jahren zuvor. “Wir stimmen uns da alle ab. Aber die Jungs sind auch in einem Alter, in dem sie auch mal die eine oder andere Einheit mehr verkraften können”, sagt Müller. Zudem könne man den Kader auch von oben auffüllen. Chefcoach Lieberknecht scheut sich demnach nicht, Profis in der Hessenliga spielen zu lassen – natürlich dann in enger Absprache mit den Spielern, die nicht einfach runtergeschickt werden, wie Pellowski versichert.

Wie steht es mit externen Neuzugängen?

Das Interesse ist groß. “Seit der Bekanntgabe des Top-Talente-Teams sind bei uns quasi die Postfächer explodiert mit Angeboten von Spielern. Dass wir da so eine Auswahl haben, hätten wir nicht gedacht”, sagt Müller. Dabei habe es sich um Angebote allen Alters gehandelt, vornehmlich Spieler, die gerade ihr letztes U19-Jahr absolvieren oder auch schon ein Jahr Ober- oder Verbandsliga spielen – und das nicht nur aus der Region, sondern deutschlandweit. “Diesen Spielern bieten wir eine Verlängerung der Ausbildungszeit um zwei oder drei Jahre, um ihnen den besten Einstieg in den Herrenfußball zu ermöglichen, wahrscheinlich mit mehr Spielzeit, als wenn sie bei einem anderen Oberligisten oder Regionalligisten wären”, sagt er. “Es gibt aber auch ältere Spieler, die um die 30 sind, und die noch mal Lust auf die Aufgabe haben, junge Spieler zu begleiten. Und wir haben da auch schon einige gute Gespräche geführt.” Pellowski stellt klar, dass man keine Spieler von außen für Positionen hole, auf denen man eigene Spieler habe, die womöglich bereits sogar im Blickpunkt der Profis stehen. “Wir gucken, welche Positionen wir mit unseren Jugendspielern besetzen können, sodass ein Gerüstspieler sie nicht blockiert. Die Kaderplanung ist auf unsere Talente ausgerichtet”, sagt er.

Welchen sportlichen Wert hat die neue NLZ-Liga, wenn man nicht auf- und absteigen kann?

Müller antwortet mit einer Gegenfrage: “Ist der Druck, wenn du gegen den Abstieg spielst, förderlich für Entwicklung? Was macht das mit Trainern und Spielern, wenn sie wissen: Ich brauche unbedingt noch einen Punkt?” Man habe in den Nachwuchs-Bundesligen viele Spiele gegen Teams, in denen es nicht nach entwicklungsorientierten Fußball ausgesehen habe. “Da wurden lange Bälle gespielt, da stellte man sich hinten rein. Das war vielleicht erfolgreich. Aber ich glaube nicht, dass sich da zum Beispiel ein zentraler Mittelfeldspieler mit vielen Aktionen entwickelt hat”, stellt Müller klar. In den NLZ-Ligen könnten die Trainer dagegen viel freier agieren. “Wir in Darmstadt haben eh nicht ergebnisorientiert geschaut. Nach den Abstiegen von U17 und U19 sind alle Trainer geblieben, weil die Arbeit inhaltlich super und auf Entwicklung ausgelegt war. Ich weiß nicht, ob das bei anderen Teams in so einem Fall gewesen wären.” Und dass die Spieler ohne Abstiegsdruck sich weniger anstrengen glaubt er nicht. “Da kracht es schon in den Trainingsspielen. Den Druck machen die sich selber, denn sie wissen: Wenn ich schlecht spiele, spielt beim nächsten Mal vielleicht ein anderer.”

Und wie geht es jetzt weiter?

Vorbereitungsstart von U17, U19 und Top-Talente-Team wird der 24. Juni sein. Alle drei Teams werden Trainingslager abhalten. Die Kaderplanung bei der U17 und der U19 Uhr ist abgeschlossen. Beim Top-Talente-Team ist man in den letzten Zügen. Saisonstadt der Hessenliga ist am 27./28. Juli, die aller Voraussicht nach mit 19 Teams starten wird. Die Nachwuchsspieler, die die Profivorbereitung mitmachen, haben wie die Profis Laufpläne für die Pause bekommen. Vorgesehen sind da im Moment drei Spieler. Aber das ist auch abhängig von der Kaderplanung der Profis, wie Pellowski sagt.

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Bildquellen

  • NLZ: Stephan Köhnlein

3 Comments

  • Kallinski sagt:

    Mal was ganz anderes …

    Stephan, seit dem Update/Upgrade der Webseite ist diese unfassbar lahm geworden … manchmal fluppt es normal, aber meistens wartet man ewig ob und das was passiert … ich hab eben diese Seite hier 3x aufrufen müssen, bevor sie überhaupt vollständig geladen wurde, davor hab ich aber auch schon 30 Sekunden einen bunten drehenden Kreis beobachtet, ohne das irgendwas passiert wäre … denke da sollte dein Web-Mensch ganz dringen mal drüber gucken, weil so ist das echt ein Horror …

    … oder ist das das neue Anti-Unbeliebete-User-Feature ?? 🤔 😉

    • Stephan Köhnlein sagt:

      Hallo Kallinski, in der Tat kämpfen wir gerade mit großen technischen Problemen, haben das im Auge und hoffen, dass alles spätestens kommende Woche wieder besser ist. Sorry dafür.

  • Katze vom Bosporus sagt:

    Ich frage mich, warum im Bürgerpark Nord kein Fußballspiel stattfindet? Ich war schon sehr lange nicht dort aber ich erinnere mich, dass es dort große Kabinen gibt, eine Sitz-Tribüne die nicht überdacht ist und Stehplätze. Ich glaube mich zu erinnern, dass dort 3000 Leute Platz hätten. Warum spielt das Hessenliga – Team in Alsbach?
    Man hat leider unseren ehemaligen Waldsportplatz hinter dem Stadion, zum Parkplatz gemacht. Was ist mit dem Hochschulstadion? Ist auch hinter bzw neben dem Stadion. In den 80er hat dort die Profimannschaft oft trainiert. OK ist nicht so modern aber so ist man verstreut. Was ist mit der Alsbacher Drainage auf dem Hauptfeld ( Rasenplatz) . Wenn es dort ein wenig regnet ist der Strafraum und die südliche Seite des Spielfeldes etwas stärker mit Wasser behaftet. Deshalb haben die Alsbacher meistens auf ihrem Kunstrasen gespielt. Ich meine ja nur. Vielleicht liege ich falsch aber wenn die Mannschaften so durch den Darmstadt – Dieburger Kreis auseinander gezogen werden ist es auch nicht förderlich. Meiner Meinung nach etwas schade.

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