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Im siebten und letzten Teil unserer Serie über die Geschichte des SV Darmstadt 98 geht es um mehr als Fußball.

Der SV 98 ist ein Aushängeschild Darmstadts und ein Aushängeschild des Vereins ist der Fußball. Aber der Verein ist kein Fußballverein. Er nennt sich völlig zurecht Sportverein und das möge bitte auch so bleiben. Er ist von Beginn an ein Mehrspartenverein, der schon immer Breitensport anbietet aber seit vielen Jahren auch Profisport betreibt. So waren vor 1919 die Olympianer nicht nur Fußballer, sondern auch hervorragende Leichtathleten und Wassersportler, während die SCler vor allem erfolgreich Fußball spielten und hervorragende Leichtathleten stellten. Der 1919 gegründete SV 98 bot unter anderem Hockey, Schwimmen, Rugby und Tennis an. Berühmt waren seine Leichtathleten wie Ruth und Hermann Engelhard sowie die Handballer, die sechsmal Süddeutscher und einmal Deutscher Vizemeister wurden.

Ruth Engelhard

Herrmann Engelhard

Handballer des SV Darmstadt 98

Handballer des SV Darmstadt 98 in den 1920ern

Der Mittelstreckenläufer Hermann Engelhard gewann unter anderem Silber und Bronze bei den olympischen Spielen 1928 in Amsterdam. Seine Ehefrau Ruth lief 1943 bei den Weltspielen in London die 80 m Hürden mit einem neuen Weltrekord. Die Tischtennis-Herren wurden 1933 Deutscher Vizemeister. Nach dem Zweiten Weltkrieg startete der SV 98 mit Fußball, Handball, Leichtathletik, Tischtennis, Boxen, Ringen und Schwerathletik. Bald darauf kamen Rudern, Paddeln, Schwimmen, Wassersport, Frauenhandball, Ringen und Judo hinzu. Die Handballer wurden 1948 Hessenmeister und verpassten knapp die Süddeutsche Meisterschaft.

1950 wurden die Fußballer Hessenmeister und stiegen in die höchste deutsche Spielklasse auf, ein Ereignis, das die notleidende Nachkriegsbevölkerung in euphorische Stimmung versetzte. Nach einem Jahr stieg man unglücklich wieder in die Landesliga ab und pendelte fortan zwischen zweiter und dritter Liga bis am 13. Mai 1973 mit einem sensationellen 7-0-Sieg gegen den 1. FC Nürnberg vor 20.000 Zuschauern die Süddeutsche Meisterschaft eingefahren werden konnte.

Wegen Fußball: Leichtathleten traten aus

1976 wurde die 4×800 m-Staffel Hessenmeister und Süddeutscher Meister. 1978 krönte man die fußballsportlichen Ambitionen mit dem Aufstieg in die 1. Bundesliga. Die zunehmende Fokussierung auf den Fußball musste der Verein jedoch mit einem hohen Preis bezahlen: Die renommierten Leichtathleten traten bis auf drei wackere Verbliebene geschlossen aus dem Verein aus und wechselten zum ASC Darmstadt.

Man stieg 1979 nach einem Jahr wieder aus der Fußballbundesliga ab, jedoch zwei Jahre später (wieder für ein Jahr) erneut auf. 1987 verpasste man in dramatischen Relegationsspielen gegen Waldhof Mannheim den Wiederaufstieg. Jahre voller finanzieller Sorgen folgten bis zum Abstieg 1993 in die dritte Liga. Die finanzielle und sportliche Tristesse nahm noch zu und mündete zum hundertsten Vereinsgeburtstag zum ersten Abstieg des Vereins in die vierte Liga. Gut 20 Jahre verharrte man in den Niederungen des deutschen Fußballs bis man 2011 wieder auf Deutschlands Fußballlandkarte zurückkehrte. Seit dem Durchmarsch bis in die 1. Liga ist der SV 98 ununterbrochen in der Bundesliga und der 2. Liga zuhause.

Heute gehören mit der Basketball-, Fussball-ID-, Futsal-, Headis, Judo-, Sportkarate-, Seniorensport-, Tischtennis- und der Wanderabteilung neun regional, überregional und international erfolgreiche Abteilungen dem Verein an. Theodor Keppel ist amtierender Judo-Weltmeister, die Headis-Manschaft stellt immer wieder hervorragende Vizeweltmeister und bestens Platzierte bei deutschen und europäischen Turnieren.

Wofür der SV Darmstadt 98 steht

Zusammenfassend wollen wir uns fragen, wer der SV 98 ist und wofür er steht: Wir sind von Geburt an multikulturell und weltoffen, wir sind nicht nur Fußball, sondern ein Mehrspartenverein, wir leben unseren Verein in enger symbiotischer Beziehung zur Stadt Darmstadt und seinem Umfeld, sind sozial und solidarisch, kennen im Verein keine Standesunterschiede und wir achten einander. Die 98er und die, die es mit ihnen halten, waren schon immer Kämpfer. So wie die viel zu früh verstorbene Alice, die unter anderem gegen die Folgen von Armut in der Darmstädter Altstadt und für Volksgesundheit kämpfte und so wie die unter den Folgen zweier Weltkriege leidende Darmstädter Bevölkerung.

Auch sportlich haben die 98er immer gekämpft. Dabei war es stets unerheblich, ob man das Spiel eher defensiv oder offensiv oder auf schnelles Umschaltspiel ausrichtete. Wichtig für den Darmstädter ist, dass aufrichtig gekämpft wird. Wichtig ist zudem, dass wir uns weiterhin zu unserer Tradition bekennen, die eben nicht erst mit dem viel beschriebenen „Wunder von Bielefeld“ begann. Nein, sie begann mit Alice, den Engländern in Darmstadt und den Ensgrabers. Und sie lebt fort in den Nachfahren der Ensgrabers und in uns allen.

Thomas Spengler und Mignon Löffler-Ensgraber beleuchten für den Lilienblog in einer siebenteiligen Serie die Geschichte des SV Darmstadt 98.

Alle Beiträge auf einen Blick:

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Bildquellen

  • Ruth_Engelhardt21_VHR: Vereinshistorisches Referat des SV Darmstadt 98
  • Hermann_Engelhardt21: Vereinshistorisches Referat des SV Darmstadt 98
  • Handballer22_VHR: Vereinshistorisches Referat des SV Darmstadt 98

2 Comments

  • Christoph Bergoint sagt:

    Schade, dass 1000 deutsche Jahre in der Rückschau fehlen. Nicht falsch verstehen – eine tolle Serie. Aber gerade aus der Zeit zwischen ‘33 und ‘45 ist außer des Schicksals von Karl Heß relativ wenig vom Verein bekannt. Gibt es da weitere Quellen? Die Vereinsseite gibt leider nicht viel her…

    • Stephan Köhnlein sagt:

      Da hast Du völlig Recht, die Serie konnte aber eh nur ein paar Schlaglichter auf die lange und wechselhafte Geschichte werfen, bin mal gespannt auf den angekündigten Jubiläumsband.

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